AIAG CQI-Standards (CQI-9 etc.): Anforderungen ans Qualitätsmanagement der Automobilindustrie

„CQI-Standards nicht zum Sorgenkind werden lassen.“

Die CQI-Standards in der Praxis der Automobilzulieferindustrie

Infografik: Die Top-Abweichungen in CQI-9 AuditsDurchschnittlich 14 Abweichungen gibt es bei CQI-Audits allein im Hauptfragenkatalog. Vier davon stellen statistisch gesehen jeweils eine direkte Gefährdung des Produkts im Hinblick auf die Qualität dar und ziehen in den Betrieben Sofortmaßnahmen nach sich.

Zu diesem aufrüttelnden Ergebnis kommt eine Analyse von 39 CQI-Audits aus den vergangenen zwölf Monaten.

Automobilzulieferer wie OEM müssen sich daher dringend näher mit den CQI-Standards und ihrer Einhaltung beschäftigen – und zwar bevor sie zum echten Sorgenkind werden! Denn zwischenzeitlich schließen zahlreiche – auch deutsche – Automobilhersteller bzw. -zulieferer die Einhaltung der CQI-Normen bei nahezu allen Projekten und Aufträgen an industrielle Automotive-Serienlieferanten und Automotive-Dienstleister als kundenspezifische Forderungen ein. Sie springen damit auf ein System auf, das ursprünglich von der Automotive Industry Action Group (AIAG) in Zusammenarbeit mit amerikanischen OEM entwickelt wurde. Es soll bei relevanten technischen Verfahren Konformität und damit ein durchgängig hohes Qualitätsniveau sicherstellen.

Mit den Ergebnissen der Audit-Analyse möchten wir einen praxisnahen und aktuellen Einblick in den Status Quo geben und aufzeigen, wo die Defizite am größten sind, aber auch, wo das meiste KVP-Potenzial für die Zukunft schlummert.

In diesem Beitrag:

Abweichungen aus Abschnitt 1 "Managementverantwortung und Qualitätsplanung"

Abschnitt 1 ist im CQI-Audit recht umfangreich. Aber jeder einzelne Punkt hat seine Berechtigung, handelt es sich doch mitnichten um „Kleinigkeiten“, sondern um maßgebliche Punkte, die vielfach einen direkten Einfluss auf die Produktqualität haben. Durchaus alarmierend ist daher, dass es hier zu einem hohen Prozentsatz Abweichungen gibt.

Einige Beispiele und kritische Punkte zu diesem Abschnitt aus der CQI-9 werden hier herausgegriffen und kurz erläutert:

  • Bei der „Bewertung von Temperatur-Zeit-Profilen“, die in Abschnitt 1.9 geregelt ist, fallen gut sechs von zehn Betrieben durch – an einer Stelle, deren Einhaltung wichtig ist, weil Produktprüfungen nur stichprobenhaft erfolgen und die „TUS“ (siehe weiter unten bei Abschnitt 3) häufig noch nicht durchgeführt wurde.
  • 53,8 % der auditierten Betriebe schneiden bei 1.18 „Vorbeugende Wartung und Instandhaltung“ schlecht ab. Hier bedeutet eine Abweichung zwar nicht gleich eine Produktgefährdung, hat aber ggf. Einfluss auf die Lieferfähigkeit des Unternehmens, wenn Anlagen ungeplant ausfallen sollten.
  • Bei fast jedem Zweiten fehlen Dokumentationen, die in Abschnitt 1.6 „Prozessbeschreibungen“ gefordert werden. Die Mitarbeiter im Betrieb erfüllen die Prozesse nach bestem Wissen und in der Regel auch sachgemäß, aber es ist nirgends beschrieben. Dabei kann man nur durch die Dokumentation nachweisen, dass konstant durch alle Schichten und alle Personen nach gleichen Standards gearbeitet wird und ein Wissenstransfer gewährleistet ist.
  • Der Punkt 1.8 „Datenanalysen“ bietet für knapp 44 % der Zulieferbetriebe großes KVP-Potenzial. Prozesseigner haben die – durchaus sinnvolle – Auflage, sich über ermittelte Daten einen Überblick zu verschaffen und daraus Trends zu ermitteln. Damit diese Analyse auch tatsächlich gemacht wird und nicht im Tagesgeschäft untergeht, muss die Vorgehensweise in einem System beschrieben und konsequent umgesetzt werden.
  • Bei 4 von 10 auditierten Unternehmen läuft die „Mitarbeiterqualifikation“ (Abschnitt 1.16) nicht normkonform. Gemäß CQI-Standard gilt es nämlich festzulegen, wer am Prozess beteiligt ist, was die jeweiligen Aufgaben sind und wie die entsprechenden Mitarbeiter nachweislich (!) dafür qualifiziert werden. Zu beachten ist außerdem die Notwendigkeit einer Wirksamkeitsprüfung dieser Qualifizierungsmaßnahmen beispielsweise durch Arbeitsplatzaudits.

%-Satz der Betriebe mit Abweichungen bei den geprüften Anforderungen

1.9 = Managementbewertung Temperatur-Zeit-Profile - 87.2%
1.18 = Vorbeugende Wartung und Instandhaltung - 74.4%
1.6 = Prozessbeschreibungen - 48.7%
1.8 = Datenanalyse - 43.6%
1.5 = Dokumentenmanagementsystem - 41.0%
1.16 = Mitarbeiterqualifikation - 41.0%
1.3 = FMEA - 38.5%
1.13 = KVP - 35.9%
1.7 = Erstteilprüfung / Prozessfähigkeitsstudie - 33.3%
1.4 = PLP - 30.8%
1.14 = Wer darf gesperrte Ware wieder freigeben? - 28.2%
1.15 = Arbeits- und Verfahrensanweisungen - 25.6%
1.19 = kritische Ersatzteilliste - 25.6%
1.11 = Info an OEM bei Nacharbeiten - 23.1%
1.10 = jährliche CQI-9 Audits - 17.9%
1.17 = Organigramm - 12.8%
1.12 = Reklamationsmanagementsystem - 10.3%
1.1 = qualifizierte Entscheidungsträger - 7.7%
1.2 = APQP / Erstbemusterung - 5.1%
1.20 = Trennung von Fertigungsaufträgen / Materialchargen - 0.0%

Abschnitt 2, der Punkte aus dem konkreten Arbeitsbereich der Automobilzulieferer und Punkte zur Handhabung der eingesetzten Materialien enthält, fällt im CQI-Audit im Hinblick auf die Zahl der Forderungen etwas weniger umfassend aus. Allerdings finden sich auch hier durchaus Punkte, bei deren Nichteinhaltung unmittelbar die Produktqualität sowie die Produktsicherheit leiden können.

Einige Beispiele und kritische Punkte zu diesem Abschnitt werden hier herausgegriffen und kurz erläutert:

  • Fast 54 % der auditierten Unternehmen fallen beim Abschnitt 2.14 „Prozessregelungsparameter“ durch. Das ist als besonders kritisch einzustufen, da bei Abweichungen in diesem Bereich Qualität und Produktsicherheit unmittelbar gefährdet sein können. Eine Abweichung entsteht beispielsweise dadurch, dass die Toleranzgrenzen für die einzelnen Parameter entweder überhaupt nicht definiert wurden oder gegenüber den vorgegebenen AIAG-Werten zu groß sind und beispielsweise schon bei der Installation einer Anlage falsch angelegt wurden.
  • Notfallpläne, die der Wärmebehandler idealerweise mit dem Anlagenbauer entwickeln sollte, um die Forderungen aus 2.8 „Notfallplan“ zu erfüllen, kann fast jede zweite Organisation nicht oder nicht in der geforderten Form vorweisen. Wenn eine komplexe Wärmebehandlungsanlage, out of order ist – durch welchen Anlass auch immer (z. B. Stromausfall) -, dann muss in einem Notfallplan definiert sein, wie man unter Serienbedingungen weiterproduzieren bzw. wieder anlaufen kann. Es geht hier beispielsweise darum, wie mit Teilen umzugehen ist, die zum Zeitpunkt des Ausfalls noch in der Anlage sind oder darum, dass eine erneute Erstteilprüfung stattfinden muss, bevor man die Serienproduktion wieder aufnimmt.
  • Der CQI-Standard schreibt in Abschnitt 2.15 „Produktprüffrequenzen“ sehr klar vor, was wie oft geprüft werden muss. Während Unternehmen also theoretisch nur noch auf dieser Basis einen ordnungsgemäßen Prüfplan für das Produkt erstellen müssten, wird in der Realität teilweise nicht konform mit dem Standard geplant. Oder aber es wird standardkonform geplant, aber die Frequenzen werden nicht eingehalten. Rund 46 % der Unternehmen bekommen hier im CQI-Audit eine Abweichung attestiert.
  • Zu den beiden Punkten, die in keinem der auditierten Betriebe zu beanstanden waren, gehören im Abschnitt 2 die Punkte 2.1 „Auftragsmanagementsystem“ und 2.6 „Behältermanagementsystem“. Diese guten Werte sind vor allem darauf zurückzuführen, dass diese Systeme in vielen Härtereien einfach zu den Grundgegebenheiten gehören und hier Standard-ERP-Systeme zum Einsatz kommen.

%-Satz der Betriebe mit Abweichungen bei den geprüften Anforderungen

2.14 = Prozessregelungsparameter - 53.8%
2.8 = Notfallplan - 48.7%
2.15 = Produktprüffrequenzen - 46.2%
2.16 = Produktprüfmittel / Einrichtungen - 33.3%
2.12 = Abschrecksystem / Spezifizierung / Regelung - 30.8%
2.7 = Ofenchargierung - 28.2%
2.11 = Reinigung vor dem Wärmebehandlungsprozess - 23.1%
2.2 = Warenkennzeichnung / Lagerung - 15.4%
2.5 = Fangstellen im Wärmebehandlungssystem - 15.4%
2.10 = Ordnung und Sauberkeit im Betrieb - 12.8%
2.3 = Warenlosrückverfolgbarkeit - 7.7%
2.4 = Lenkung fehlerhafter Produkte - 7.7%
2.9 = allgemeines Handling bezüglich Produktqualität - 2.6%
2.13 = Handling von Rostschutzprodukten - 2.6%
2.1 = Auftragsmanagementsystem - 0.0%
2.6 = Behältermanagementsystem - 0.0%

Abweichungen aus Abschnitt 2 "Verantwortung für den Arbeitsbereich und die Materialhandhabung"

Dieser Abschnitt betrifft vor allem das Thema Pyrometrie. Dramatisch ist, dass Abweichungen in diesen Punkten manchmal eine direkte Produktgefährdung als Auswirkung nach sich ziehen. Aber gerade hier sehen wir teilweise gravierende Abweichungen, was mit Blick auf die Produktsicherheit durchaus beängstigend ist.

Abschnitt 3 ist dabei nicht nur inhaltlich ein sehr komplexes und herausforderndes Thema für die Betriebe, die Einhaltung verursacht auch die größten Kosten. Hier kann durchaus mit einer Größenordnung von einigen tausend Euro pro Jahr und pro Anlage / pro Ofen gerechnet werden – und zwar für die reinen Nachweiskosten, dass die Anlage fähig ist, nach Standard zu arbeiten. Hinzu kommen dann noch die Instandhaltungskosten.

Zwei Beispiele aus diesem Abschnitt sollen hier herausgegriffen und kurz erläutert werden:

  • Top-Punkt bei den Abweichungen ist 3.2 „Instrumentierungsprüfung / System-Genauigkeits-Prüfung (SAT – System Accuracy Tests), wo es fast bei 9 von 10 Betrieben Beanstandungen gibt.
  • Aber auch in Abschnitt 3.4 „Temperatur-Gleichmäßigkeits-Prüfung (TUS – Temperature Uniformity Surveys)“ werden in 3 von 4 Fällen Abweichungen festgestellt.

SAT und TUS sind besonders wichtig, um die Wiederholbarkeit der Produktion, also jegliche Wärmebehandlung, sicherzustellen und n.i.O.-Ergebnisse zu verhindern. Vor diesem Hintergrund darf die Zahl der Abweichungen durchaus als alarmierend bezeichnet werden.

%-Satz der Betriebe mit Abweichungen bei den geprüften Anforderungen

3.2 = Instrumentierungsprüfung / System-Genauigkeits-Prüfung (SAT) - 87.2%
3.3 = Thermoelemente - 74.4%
3.4 = Temperatur-Gleichmäßigkeits-Prüfung (TUS) - 74.4%
3.5 = Bewertung Regeltemperaturen parallel zur TUS - 66.7%
3.6 = Funktionsprüfung der Prozessalarme - 48.7%
3.14 = Analyse Abschreckmedium - 35.9%
3.8 = Backup-Prüfung der Ofenatmosphäre - 23.1%
3.1 = geeignete Analgentechnik - 15.4%
3.7 = automatische Regelung der Ofenatmosphäre - 15.4%
3.11 = Gasstation / MFC / Schwebekörper / Durchflussmesser - 10.3%
3.9 = Trennung Ammoniakversorgung - 2.6%
3.10 = Spülvorgang von NH3 auf nicht NH3 - 2.6%
3.12 = ungleichmäßiges Beladen bei Durchlauföfen - 0.0%
3.13 = Analyse Salzchemie bei Austenitisierungsbädern - 0.0%

Abweichungen aus Abschnitt 3 "Einrichtung / Ausstattung"

Selbstverständlich unterstützen wir auch Ihre Organisation mit individueller inhouse CQI-Beratung sowie bei der Vorbereitung und Durchführung von CQI-Self-Assessments.

Unsere CQI-Spezialisten sind aufgrund fundierter Erfahrungen in der Automobilbranche sowie konkret mit den CQI-Standards Bezug auf alle CQI-Fragestellungen und Anforderungen ansprechbar. Nehmen Sie gerne dazu Kontakt mit uns auf!

Die Audit-Analyse - Hintergrundinformationen

Die CQI-Experten der Rhein S.Q.M. GmbH haben Ende 2017 39 CQI-9 Audits aus den zurückliegenden zwölf Monaten analysiert. Für jedes Kapitel aus dem Hauptfragenkatalog, also den Abschnitten 1 bis 3 (Abschnitt 3 dabei ohne 3.15 bis 3.21, d. h. ohne Jobaudits und die speziellen Fragen zur induktiven Wärmebehandlung), wurde überprüft, für wie viele der auditierten Betriebe jeweils Abweichungen festgestellt wurden. Die Ergebnisse der Auditanalyse hat er der Rhein S.Q.M. GmbH zur Publikation zur Verfügung gestellt.

Auswertungsbasis
Bei den 39 geprüften Betrieben handelt es sich ausschließlich um Lohn- und Werkshärtereien unterschiedlichster Unternehmensgröße in Europa.

Hinweis zur Aussagekraft und Übertragbarkeit der Ergebnisse
Auch wenn die Analyse statistisch gesehen und rein mathematisch betrachtet nicht repräsentativ ist, darf man davon ausgehen, dass sie aufgrund der Fallzahlen und der hohen Abweichungswerte den Markt sehr gut widerspiegelt. Außerdem ist noch wichtig: Die Analyse fokussiert zwar auf CQI-9, allerdings sind die Abschnitte 1 und 2 in allen CQI-Standards nahezu identisch. Es ist also keine sehr gewagte Prognose, dass sich ähnliche Analyseergebnisse in anderen Prozessbereichen wie Oberflächenbeschichtungen, Schweißprozessen oder Kunststoff-Formprozessen vermutlich ähnlich wiederfinden würden.

Infografik

Eine Analyse von rund 40 CQI-Audits zeigt, dass es durschschnittlich 14 Abweichungen allein im Hauptfragenkatalog gibt. Die Top-Abweichungen hat die Rhein S.Q.M. GmbH in einer Infografik visualisiert.

In einer Infografik hat die Rhein S.Q.M. GmbH jeweils die Top 5 CQI-Auditabweichungen aus typischen Abschnitten visualisiert.
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